Wer im Ticket Office von Angkor ankommt, wähnt sich in der Schalterhalle eines mittleren internationalen Flughafens. Personal weist die Gäste in die Schlangen vor den rund 30 Ticketschaltern ein und fragt schon einmal ab, ob man einen 1-, 3- oder 5-Tagespass erstehen möchte, um die Wartenden etwas vorzusortieren. In den Shops, die in die Halle des Ticket Office integriert sind, kann man Snacks, Getränke und Souveniers kaufen. Da rund zwei Millionen Besucher jährlich (Tendenz steigend) die Tempel von Angkor besuchen, muss die Abfertigung entsprechend professionell funktionieren.
Scheinbar kommen wir gerade zu einer günstigen Uhrzeit (am frühen Vormittag), denn wir müssen nicht allzu lange warten bis wir unsere Angkor-Pässe mit unserem aufgedruckten Foto in den Händen halten. Für den Eintagespass werden 37 Dollar pro Person fällig. Ein ganz schönes Sümmchen, wenn man bedenkt wie das Preisgefüge in Kambodscha ansonsten aussieht.
Unser TukTuk-Fahrer, den wir bereits in Siem Reap für den ganzen Tag angeheuert haben, bringt uns gleich zuerst zum Angkor Wat – der Hauptattraktion und dem größten der Tempel von Angkor. Über eine breite Schwimmbrücke überquert man den Wassergraben, der die Anlage umgibt, und bekommt dabei schon ein Gefühl für die beeindruckenden Ausmaße dieser Bauwerke.
Errichtet wurde Angkor Wat im 12. Jh. zu Ehren des hinduistischen Gottes Vishnu von Suryavarman II., einem berühmten Khmer-König und erfolgreichen Feldherrn, der das Khmer-Reich einte und expandierte.
Die Khmer-Könige regierten ihr Reich Kambuja vom 9. bis zum 15. Jh. und errichteten auf einer Fläche von 200 km2 nacheinander mehrere Hauptstädte mit jeweils einem Haupttempel. Warum ihr Reich im 15. Jh. untergegangen ist, ist nach wie vor Gegenstand archäologischer Forschung. Vermutet wird, dass die Wasserversorgung der geschätzt bis zu einer Millionen Einwohner durch klimatische Änderungen problematisch geworden ist und die Menschen daher in großer Zahl abgewandert sind.
Die Tempel wurden – je nach Glauben des aktuellen Königs – hinduistischen Göttern (Shiva, Vishnu oder Rama) oder Buddha geweiht, oft finden sich auch Elemente beider Religionen vereint. Im Gegensatz zu den anderen Tempelanlagen war Angkor Wat stets als religiöse Stätte „in Betrieb“ und wurde auch nach dem Untergang von Kambuja von den Bewohnern der umgebenden Siedlungen gepflegt. Die anderen Tempelanlagen wurden dem Verfall preisgegeben bzw. von der Natur zurückerobert. Durch aufwendige, in internationaler Zusammenarbeit seit Beginn des 20. Jh. durchgeführte Restaurierungsarbeiten (mehrfach unterbrochen durch das politische Zeitgeschehen) wurden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aktuell ist u.a. die FH Köln an den Arbeiten beteiligt.
Angkor Wat
Von der mystischen Stimmung des Ortes, die allenthalben beschrieben wird, ist angesichts der Besuchermassen, mit denen man sich durch die langen Korridore schiebt, nicht viel zu spüren. Ich fühle mich an die letzten Besuche in Venedig und Florenz erinnert, wo man mit ähnlichem Gedränge zu kämpfen hat.
Dass all die Besucher, von denen ich ja selbst einer bin, diesen Ort sehen wollen ist genauso verständlich, wie die Tatsache, dass die kambodschanische Tourismusindustrie diesen Besuchermagneten wirtschaftlich nutzen möchte. Wenn man jedoch sieht, dass die Jahrhunderte alten Reliefs im Sandstein mit „I was here“-Botschaften überkrakelt werden und dabei allmählich verschwinden, fragt man sich schon, wie lange dieser Magnet seine Anziehungskraft wohl noch ausüben können wird.
Wir verzichten darauf, uns für die Besteigung des Hauptturms in die Warteschlange einzureihen und begnügen uns mit der Erkundung der weitläufigen Anlagen um den Tempel. Nach einer guten Stunde machen wir uns auf den Weg zum Parkplatz zurück, wo unser TukTuk wartet, um uns zur nächsten Tempelanlage zu bringen – Angkor Thom.
Angkor Thom
Jayavarman VII. (reg. 1181-1219) errichtete mit Angkor Thom die letzte große Hauptstadt Kampujas; in ihr liegen u.a. der Bayon, ein Tempel mit insgesamt 216 Gesichtern, die dem Herrscher selbst ähnlich gewesen sein sollen, sowie der Tempelberg Baphuon.
Hier ist im Vergleich zu Angkor Wat deutlich weniger los und ich verspüre sofort mehr Lust an der Erkundung der Anlagen. Häufig erschließt sich hinter dem ersten Eingang oder Wall eine weitere Anlage, ein weiterer Vorhof oder eine Halle, die erst wiederum zu einem Hof oder Torbogen führt. Es entsteht streckenweise der Eindruck, dass die Tempelanlagen sich endlos erstrecken, wenn man nur immer weiter geht.
Spean Thma
Auf dem Weg zum Tempelkomplex von Ta Prohm halten wir bei Spean Thma. Das ist eine Brücke, die im 15. oder 16. Jh. gebaut worden sein muss, um den damals dort verlaufenen Siem-Reap-Fluss zu überqueren. Heute ist das Flussbett trocken, da der Fluss sich einen neuen Verlauf gesucht hat. Vielleicht ein Hinweis auf ein Problem mit der Wasserversorgung, welches zur Aufgabe der Stadt Angkor geführt haben könnte?
Beim Anblick der Tempel Ta Prohm und Banteay-Kdei kann man sich am ehesten vorstellen wie die meisten Tempel ausgesehen haben müssen als der Franzose Henri Mouhot sie 1860 erkundete und durch akribische Zeichnungen europäische Wissenschaftler auf sie aufmerksam machte. Zuvor war ihr Anblick unter Europäern nur einzelnen Missionaren und Kaufleuten vorbehalten. Hier stehen heute noch Bäume mitten in den Tempeln und der Berühmteste von ihnen wächst sogar direkt auf dem Dach eines Tempels.
In den letzten Stunden unseres Besuchs von Angkor treffen wir auf immer weniger Besucher und sind froh, dass wir uns vom ersten Eindruck bei Angkor Wat nicht haben abschrecken lassen. Grundsätzlich ist Angkor so groß, dass sich auch tausende Besucher an einem Tag hier verlieren können. Man sollte gegebenenfalls nur in Betracht ziehen, mehr Zeit für die etwas entlegeneren oder weniger bekannten Tempel einzuplanen.
Ein sehr interessanter Bericht und ganz tolle Bilder – wirklich beeindruckend!
Wow tolle Fotos – super Beitrag!!
Dankeschön! Das freut mich! :-)