Nachdem wir nun schon eine Weile unterwegs sind und ein paar Reiseerfahrungen gemacht haben, stelle ich zunehmend fest, dass meine Bereitschaft an den üblichen Sightseeingaktivitäten teilzunehmen, langsam sinkt. Irgendwann sehen alle Tempel gleich aus und ich bin nicht mehr bereit, mich – vorbei an Souvenirhändlern und Photo-Permit-Ständen – dafür noch ins Gedränge zu begeben. Ich habe auch nicht mehr das Gefühl, mich durch die Betrachtung von ausgewiesenen Attraktionen dem Land und den Leuten zu nähern. Zuerst wollte ich daher auch einen Artikel mit dem Titel „Touristen, die auf Pagoden starren“ schreiben – was mir dann aber doch zu negativ erschien.
Ich nehme aufgrund der beschriebenen Übersättigung auch nicht weniger wahr, nur eben wieder andere Dinge. So habe ich mich bei unserem letzten Stadtrundgang in Yangon mehr auf die Details des Straßenlebens konzentriert.
Das Leben in Yangon und auch in allen anderen asiatischen Großstädten, die ich bisher besucht habe, findet in weitaus stärkerem Maße auf der Straße statt als in Europa. Selbst in den lebendigsten italienischen Metropolen gibt es keine vergleichbare Dichte an Händlern und Dienstleistern, die ihre Geschäfte direkt auf dem Bürgersteig anbieten. Garküchen und Händler gibt es natürlich, aber auch Handleser, Masseure, Messerschleifer, Homöopathen, Graue-Haare-Auszupfer, Reifen-Aufpumper und alles Erdenkliche mehr. Und eigentlich bleibt einem als Fußgänger auch nicht viel anderes übrig, als auf die Straße auszuweichen, wenn man nicht permanent über die einfachen Stände hinweg steigen will.
Gibt es dann doch einmal ein Stückchen ungenutztes Trotoire, wird schnell ein weiterer Unterschied zu Europa sichtbar. Die Löcher. Die Löcher im Bürgersteig darf man sich nicht als kleine Stolperfallen vorstellen. Es sind Löcher, in denen Kinder und kleine Personen komplett veschwinden können. Das liegt daran, dass der Bürgersteig in der Regel nichts weiter als die Abdeckung der Kanalisation ist. Die häufig benutzten Betonplatten halten der Witterung und sonstigen Belastung aber offensichtlich nicht lange stand und brechen häufig ein.
Was dann entsteht ist wie ein kleines Tor zur Unterwelt, in welchem sich meistens schnell Müll und Schrott sammelt. Auch die kleinen behaarten Bewohner der Unterwelt – die Ratten – nutzen diese Ein- und Ausstiegsstellen rege. So fordert auch die Unterwelt einige Aufmerksamkeit und verhindert verträumtes Schlendern, will man nicht in ihr verschwinden.
Broken Sidewalk
Danke für den interessanten Einblick in die Unterwelt! Wir lesen eure Berichte immer mit großem Interesse.