Transit

Wir befinden uns im Transitbereich des Flughafens Don Mueang in Bangkok. Fünf Stunden Aufenthalt. Bei Starbucks gibt es WiFi, eine Classic Cinneamon Roll und einen Teavanna Macha & Espresso Fusion Hot Grande. Ich bin das erste Mal im Leben bei Starbucks. Im Hintergrund spielen die beliebtesten Weihnachtslieder von Frank Sinatra.

Von Indien haben wir uns verabschiedet und warten jetzt auf den Flieger nach Mandalay in Myanmar. Gleich wollen wir die Zeit nutzen, um die genauere Planung für unseren Aufenthalt in Myanmar zu machen. Vorher nutze ich aber den Moment noch, um ein paar Gedanken zu fixieren, die mich schon seit einigen Tagen begleiten.

Was ich bin, nehme ich an alle Orte mit. Und so prägt nicht nur das Reisen mich, sondern auch ich verändere die Orte, die Situationen und die Menschen, denen ich begegne. Sei es nur für den Augenblick, eine Stunde oder für immer. Die erstaunte Reaktion eines Kindes im Waisenheim auf mich, auf alles was mich ausmacht. Die geduldig beantworteten Fragen eines jungen Mannes im Park in Kalkutta, der sich unbedingt einmal mit Europäern unterhalten und dabei sein Englisch unter Beweis stellen will. Die Hilfe unseres Gastgebers bei Kleinigkeiten des Alltags, die ich gerne annehme. Die Dorfbewohner die völlig entgeistert zusammenlaufen, weil sie noch nie einen Europäer gesehen haben.

Der Charakter dieser Wechselwirkungen scheint offensichtlich. Doch erst durch das unmittelbare Erleben wird mir gegenwärtig, wie sehr mein Blick auf die Welt eine Wechselwirkung darstellt. In den Reaktionen von Fremden auf mich, im Kontrast anderer Lebenswirklichkeiten zu meiner Lebenswirklichkeit, in meinen Reaktionen auf Situationen, denen ich Zuhause nie ausgesetzt wäre, in all dem sehe ich zwangsläufig mich selbst. Klarer als zuvor. Und klarer als zuvor kann ich sagen – ja, das bin ich. Das macht mich aus. Und so will ich auch sein!

Während ich das schreibe, wird mir klar, dass ich eine mögliche Beschreibung für den Begriff Selbstfindung formuliere. Doch während ich diesem Begriff in der Vergangenheit in erster Linie einen explorativen Charakter zugeschrieben habe – im Sinne eines sich-selbst-ausprobierens – definiere ich ihn jetzt eher als mich-selbst-erkennen-und-anerkennen. Es fühlt sich ein wenig wie ein Frühjahrsputz im Oberstübchen an, denn es hilft mir auch dabei, zu erkennen, was ich nicht bin und nicht zu sein brauche. Auch das weg- und loslassen können, ist etwas, was auf der Reise leichter fällt. So habe ich das Gefühl, kein neues Bild oder Konzept von mir selbst zu erhalten, sondern ein klareres, schärfer umrissenes Bild der Person, die ich bin. Und das fühlt sich gut an.

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Lieber Alex,

was für eine treffende Beschreibung von inneren Reisen….! Hab Dank die Gedanken mit uns zu teilen,

lieben Gruß,

Angelika


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