Momentan befinden wir uns in Kampot, südlich von Phnom Penh. Vorher waren wir zwei Tage in Phnom Penh, wo wir die Killing Fields von Choeung Ek und das Tuol-Sleng-Genozid-Museum besucht haben. Beide Besuche haben uns sprachlos gemacht und zutiefst bedrückt. Daher habe ich auch ein paar Tage gebraucht, bis ich diesen Beitrag fertig schreiben konnte.
Wem die jüngere Geschichte Kambodschas nicht geläufig ist: Anfang der 70er Jahre, nachdem die US-Armee im Zuge der Ausweitung des Vietnamkrieges auf Laos und Kambodscha mehr Bomben über Kambodscha abgeworfen hatte als im gesamten zweiten Weltkrieg und nach einem Bürgerkrieg, der weite Teile der Bevölkerung hungern ließ, waren viele Kambodschaner zunächst froh, als die kommunstische Guerillabewegung der sogenannten Roten Khmer am 17. April 1975 die Hauptstadt Phnom Penh einnahm und das Demokratische Kampuchea ausrief. Es bestand zunächst die Hoffnung, dass nun wieder Stabilität einkehren würde.
Allerdings verfolgte die Führung der Roten Khmer – die Angka – unter der Leitung von Pol Pot, die Vision der Errichtung eines kommunistischen Bauernstaates in Kambodscha. Mit der Umsetzung ihrer Ideologie begannen die Roten Khmer schon bald nach ihrer Machtergreifung mit unvorstellbarer Brutalität gegen die eigene Bevölkerung.
Die Mitglieder der Roten Khmer rekrutierten sich nahezu ausschließlich aus ungebildeten jungen Männern vom Land. Viele von ihnen kannten nur das Leben als Kindersoldaten und waren Analphabeten.
Innerhalb von nur vier Jahren ermordeten die Roten Khmer schätzungsweise 1,7 bis 2,2 Millionen Menschen. Das entsprach fast einen Viertel der Bevölkerung. Jeder, der im Verdacht stand, Verrat an der revolutionären Idee begehen zu können, wurde mitsamt allen Angehörigen getötet. Das betraf alle Menschen mit höherer Bildung. Auf jeden Fall alle Lehrer, Professoren oder auch Ärzte und Ingenieure. Alle Ausländer und Mitglieder ethnischer Minderheiten. Oft reichte es schon lesen und schreiben zu können, um als „bourgeoise“ zu gelten. Auch Mensch die Brillen trugen oder weiche Hände hatten, galten als verdächtig und wurden verhaftet.
Alle wurden früher oder später in Verhör- und Foltergefängnisse gebracht, wo sie mit grausamen Methoden zu sogenannten Geständnissen gezwungen wurden und sich selbst des Verrats an der Revolution zu bezichtigen hatten. Wer ein Geständnis abgelegt hatte, wurde ermordet.
Das bekannteste dieser Gefängnisse ist Tuol Sleng in Phnom Penh, das auch als S-21 bekannt ist. Hier ist heute ein Museum und eine Gedenkstätte eingerichtet. Die ehemalige Schule wurde von den Roten Khmer mit einfachsten Mitteln wie Stacheldraht und ein paar notdürftig errichteten Trennwänden aus Ziegeln oder Brettern in ein Gefängnis umgebaut. Wer hierher verlegt wurde, hatte meistens schon Zwangsarbeit in den Arbeitslagern hinter sich, war abgemagert und entkräftet und kaum noch in der Lage Widerstand zu leisten oder zu flüchten. Zudem waren die Gefangenen jederzeit an Armen und Beinen gefesselt und mussten nackt in Reihen am Boden liegen.
Heute sind die Gefängnis- und Verhörräume noch weitgehend in dem Zustand erhalten, in dem die Roten Khmer sie nach ihrer Niederlage und Flucht zurückgelassen haben. Insbesondere die Verhörräume sind im schlimmsten Sinne eindrücklich und beklemmend. Auf den Fliesenböden sind noch immer die Flecken vom Blut tausender Menschen zu sehen, die hier während der Folter geschlagen, mit Elektroschocks gequält und verstümmelt wurden. Die verrosteten Bettgestelle, an welche die Opfer während der Verhöre gefesselt waren, stehen noch heute an ihren Plätzen. An den Wänden sind Fotos angebracht, welche von jenen vietnamesischen Soldaten aufgenommen wurden, die S-21 zwei Tage nach der Vertreibung der Roten Khmer aus Phnom Penh entdeckt hatten. Sie zeigen die gefesselten und misshandelten Leichen der letzten Gefangenen von S-21.
Tuol Sleng
Die Besucher des Museums werden vor dem Betreten der Räume vor dem gewarnt, was dort zu sehen ist. Ich selbst zeige hier keine Bilder von den Verhörräumen, da dieser Anblick meiner Meinung nach schon den Entschluss braucht, sich das Museum selbst anzusehen. Aber so schwer der Anblick vor Ort auch zu ertragen ist, so wichtig finde ich es sich mit dem auseinanderzusetzen, wozu ideologisch verblendete Menschen fähig sind. Die Methoden und das dadurch hervorgebrachte Leid waren so furchtbar, dass viele Insassen versuchten, sich umzubringen, um den Qualen endlich zu entkommen.
Die Aufgabe und das Ziel von Tuol Sleng war aber nicht der Tod der Insassen, sondern deren Geständnis. Sie sollten sich selbst des Verrats an der Revolution bezichtigen. Wer sein Geständnis schließlich unterschrieben hatte, wurde, meistens in dem Glauben, wieder in ein Arbeitslager gebracht zu werden, auf die Killing Fields von Choeung Ek außerhalb von Phnom Penh transportiert. Eine von schätzungsweise rund dreihundert Hinrichtungsstätten in ganz Kambodscha.
Der einzige Zweck diese Ortes war die möglichst effiziente Ermordung der Menschen, ohne dass die sonstige Bevölkerung davon etwas mitbekommen sollte. Da Schusswaffen laut waren und Kugeln teuer, wurden die Opfer hier nicht einfach erschossen. Sie mussten ihre Gräber selbst ausheben und wurden dann mit allem was verfügbar war, davor erschlagen (Hämmer, Äxte, Bambusstöcke, Schraubenzieher). Dies geschah immer nachts, um möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Um die Schreie der Sterbenden zu übertönen, wurden währenddessen laute Propagandalieder über Lautsprecheranlagen gespielt. Der grausamste Ort auf den Killing Fields war für mich der Killing Tree. Hier wurden Säuglinge und Kleinkinder umgebracht, indem sie an den Füßen gepackt und mit dem Kopf gegen den Baum geschmettert wurden. Als dieser Ort nach der Vertreibung der Roten Khmer gefunden wurde, war die Rinde des Baums mit Blut und Knochenfragmenten überkrustet. Die Mütter der Kinder mussten, nach späteren Aussagen von Henkern der Killing Fields, häufig bei der Ermordung ihrer Kinder zusehen, bevor sie selbst umgebracht wurden.
Killings Fields
Bis heute sind nicht alle Leichen aus den Massengräbern von Choeung Ek exhumiert, um die Toten endlich ruhen zu lassen. Aber es kommt immer noch vor, das die Erde Knochenfragmente und Kleidungsreste hervorbringt, die regelmäßig eingesammelt und katalogisiert werden.
Nach dem Besuch der beiden Stätten fühlte ich mich wie benommen und zutiefst beunruhigt darüber, wozu Menschen fähig sind. Diese Orte zu besuchen ist doch um ein vielfaches eindrücklicher, als sich über die Verbrechen der Roten Khmer oder auch anderer Schreckensregieme wie dem dritten Reich über Filme und Artikel zu informieren.
[…] unserer Besichtigung der Killing Fields und von S-21 haben wir in Phnom Penh soziale Projekte besucht, die benachteiligte Menschen dabei […]
Erschreckend, wie kreativ Menschen auch im Bösen sein können! Schockierend, jedoch ein guter Bericht!
[…] unserer Besichtigung der Killing Fields und von S-21 haben wir in Phnom Penh soziale Projekte besucht, die benachteiligte Menschen dabei unterstützen, […]