Heute Abend sind wir mit dem Taxi zur U-Bein-Brücke im Süden Mandalays gefahren, um uns den Sonnenuntergang anzusehen. Wenn man auf Google nach der U-Bein-Brücke sucht, findet man problemlos hunderte Fotos von malerischen Sonnenauf- und untergängen. Auf ihnen spiegelt sich meistens die Brücke im spiegelglatten, flachen Wasser und nicht selten fährt darauf ein Fahrradfahrer über die Brücke – im Gegenlicht wie ein Scherenschnitt anmutend.
Die Brücke selbst ist eigentlich ein Steg, der über einen flachen, sumpfigen Abschnitt des Taungthaman-Sees führt. Entlang der Brücke und auf den trockenen Abschnitten darunter finden sich Verkaufsstände für Essen und Souveniers. Als wir eintreffen ist die Brücke bereits voll mit anderen aus- und inländischen Touristen. Busse bringen weitere Besucher bis ans feuchte Ufer des Sees und auf dem See selbst bringen sich die Boote in Stellung – gefüllt mit Touristen, die selbst eines der malerischen Fotos der Brücke schießen wollen. Eine Gruppe Japaner hat nach Anweisung ihres Reiseführers ihre großen Stative unterhalb der Brücke aufgestellt und die schweren SLR-Kameras auf die Brücke ausgerichtet. Jetzt warten sie auf den Sonnenuntergang, um dann alle im gleichen Moment ähnliche Fotos zu reproduzieren.
Natürlich ist mir schon lange klar, dass Fotos kein absolut getreues Bild der Wirklichkeit wiedergeben, sondern einen subjektiven Blickwinkel, einen Eindruck. Darin liegt unter anderem die Kunst der Fotografie – diesen subjektiven Spielraum zu nutzen, um Emotionen, Stimmungen und Geschichten zu zeigen. Doch an der U-Bein Brücke ist mir die Differenz zwischen dem tatsächlichen Erleben des Ortes und der fotografischen Wiedergabe so krass aufgefallen wie nie zuvor. Das Gedränge der Menschen auf und unter der Brücke. Das Gerangel und die Positionierung der Fotografen an den Stellen, an welchen die Guides sie vermutlich Tag für Tag platzieren. Der Müll, den die Besucherscharen hier hinterlassen. Und vor allem: Wie unspekatkulär dieser Ort eigentlich ist, wenn man ihn nicht bei einem bestimmten Sonnenstand, bei entsprechender Witterung, in einem bestimmten Blickwinkel fotografiert. Mir vergeht schnell die Lust, mich hier in den Reigen der Fotografen einzureihen und so begnüge ich mich damit, ein paar Erinnerungsfotos meines Besuchs zu machen und beobachte ansonsten die anderen Touristen beim Fotografieren.
Als sich die Sonne an diesem Abend kurz vor ihrem Untergang hinter einer Nebelbank versteckt und der malerische Sonnenuntergang etwas sparsam ausfällt, lässt das Interesse der Besucher schlagartig nach. Schnell leert sich die Brücke und der See, noch bevor die Dämmerung richtig einsetzt. Ich mache doch noch ein paar Fotos der Abendstimmung und denke mir dabei, dass diese nicht den wirklichen Ort zeigen, sondern der Idee des Ortes in meinem Kopf ein sichtbares Erscheinungsbild geben. Mach’s gut, U-Bein Brücke!
U Bein Brücke